Bâtir en l’air, 2022
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Bâtir en l'air
Tom Reichstein Contemporary
Hamburg, 2022
Für die Ausstellung bei Tom Reichstein Contemporary hat Sinta Werner Arbeiten aus unterschiedlichen Jahren zusammengetragen und mit neuen Werken kombiniert. Der Ausstellungstitel Bâtir en l'air (in die Luft bauen, das Luftschloss) entstammt einer neuen raumgreifenden Skulptur Werners. In der Mitte der Ausstellungshalle befindet sich eine Gerüststruktur, vor der ein dünner bedruckter Seidenstoff hängt, welcher die Luftbewegungen im Raum aufnimmt. Das Gerüst greift die Perspektivansicht der Glasfassade im Motiv auf und erweitert somit die fotografische Abbildung um eine räumliche Dimension. Durch das Licht von hinten entsteht ein Spiel von Transparenz und sich abbildenden Schatten. Die Arbeit wirkt ephemer und traumhaft, durch das stark hervortretende Fotokorn auch wie eine Fotografie aus den Anfängen der Moderne und somit wie ein Versprechen aus der Vergangenheit. Der bedruckte Seidenstoff zeigt uns die Fassade des Pariser Flughafens Charles de Gaulle. Das Motiv des Flughafens findet sich auch in der Werkserie Enjambement (Zeilensprung) wieder. Auf dem Flugfeld sind die üblichen Markierungslinien, doch einige davon haben sich vom Boden abgelöst und ragen gen Himmel. Erst beim genaueren Betrachten ist erkennbar, dass die ‚fliegenden‘, farbigen Streifen durch das Anschleifen der fotografischen Oberflächen entstanden sind. Sie stellen eine Analogie zu den Markierungslinien des Sportplatzes vor den Fenstern der Galerie Tom Reichstein Contemporary her.
Für die neue Fotoskulptur Partments hat Sinta Werner streifenförmige Ausschnitte von einem 30er-Jahre Wohnriegel direkt auf Acrylglasstelen oder die Holzkonstruktion hinter den Stelen gedruckt. Die Schlichtheit und Gleichförmigkeit des Gebäudes mit seinen Balkonvorsprüngen wiederholt sich in der rechtwinkligen, stufenförmigen Anordnung der Acrylglasstäbe. Die klar definierte bauklotzartige Räumlichkeit des Wohnareals gerät in ein Kabinett von Spiegelungen, welche die Wahrnehmung und das logische Aufschlüsseln des Gesehenen herausfordern. Beim Umrunden der Skulptur wechseln sich Ansichten ab, welche das Gebäude erkennbar machen und sie im nächsten Moment in eine flirrende Struktur aus schwebenden geometrischen Formen verwandeln. Die Statik des Gebäudes wird in Bewegung versetzt. Der eingefrorene Moment der Fotografie bekommt eine zeitliche Dimension. Die Einfachheit und Monotonie des Gebäudes wird in eine multiple Perspektive aufgebrochen, welche an das Zusammenfallen mehrerer Blickwinkel im Kubismus denken lassen. Während die Skulptur durch ihren filmischen Charakter eine große Präsenz ausstrahlt, werden feste Raumkoordinaten aufgelöst und das Gebäude entmaterialisiert, sodass es wie ein Hologramm erscheint.